Erlebnisbericht: Castor-Transport Demonstration vom 8. Mai 1996

Vorwort

Ich war morgens am Mittwoch den 8. Mai 1996 mit ein paar Freunden auf der Demonstration gegen den CASTOR Transport in Gorleben. Meine Motivation zur Demo zu fahren, war und ist es mich gegen die Kernkraft auszusprechen. Ich sehe damit die Möglichkeit das Thema Ausstieg aus der Kernenergie erneut auf die Tagesordnung zu bringen. Der Atommüll muss von uns aus Frankreich wieder zurückgenommen werden, das ist klar. Jedoch kann dies erst geschehen, wenn ein Endlager ausgewiesen ist. Leute von Greenpeace sprachen davon, dass dies die Verträge mit Frankreich zuließen. Dies zu meiner Meinung in Bezug auf all die Transporte.

Erlebnisbericht

Wir sind gegen ca. 2.30 Uhr am Mittwoch morgen kurz vor Dannenberg eingetroffen. Genau zu diesem Zeitpunkt wurden alle Gleisbrücken abgesperrt, so dass wir das Auto stehen lassen mussten und zu Fuß nach Dannenberg gelangen mussten. Während wir Richtung Dannenberg gingen fuhren ständig Polizeikolonen von ca. 40-50 Wagen an uns vorbei. Anscheinend wussten die auch nicht so recht wo sie hin sollten, da uns auch einige solcher Kolonen wieder entgegen kamen, bzw. genau vor unserer Nase umdrehten. Nun als wir gegen ca. 5.00 Uhr Dannenberg erreichten und vor einem gesperrtem Bahnübergang standen, überlegten wir uns, wie wir noch zu dem Umladeplatz gelangen könnten. Also entschieden wir uns quer durchs Feld über die Schienen zu gelangen. Jedoch waren die kompletten Schienen entlang Polizisten aufgereiht. Außerdem flogen ständig Hubschrauber über unseren Köpfen. Einer davon verfolgte uns auch ca. 200m lang. Dann stellte sich auch der Grund heraus, denn ca. 5 Minuten später rollte auch der CASTOR an uns vorbei in den Verladebahnhof. Nachdem der CASTOR an uns vorbei war, wurden die Sperren ca. 10 Minuten später aufgehoben und wir konnten zum Verladeplatz gelangen. Dort waren nach meiner Schätzung ca. 10000 Leute. In den Medien hieß es, es wären dort nur ca. 3000-4000 gewesen. Nun ich kann mich auch verschätzt haben, aber es denke es waren auf alle Fälle mehr als 5000.

Dort wurden die Wasserwerfer schon eingesetzt, bevor der CASTOR auf den Spezialwagen geladen war. Ich hatte den Eindruck den Polizisten in den Wasserwerfern hat das Spaß gemacht. Sicherlich standen wir auf zu diesem Zeitpunkt verbotenem Gelände, aber es war friedlich. Lediglich ein paar Strohballen brannten am Feldesrand. Wir sind dann auf die Strasse gegangen, auf der der CASTOR später nach Gorleben rollen sollte. Dort stellten wir uns direkt vor die Polizisten, die mit ca. 1000 Frauen und Männer ca. 200m der Strasse besetzten. Zu diesem Zeitpunkt (es war wohl ca. 6.30 Uhr) war es im Grossen und Ganzen friedlich. Einige redeten mit den Polizisten, andere gaben Ihnen zu trinken oder Zigaretten. Dann war es soweit, ich hörte, wie einer der Polizisten über Funk mitteilte, dass es gleich beginnen werde. Und schon wurden die Polizisten, die ganz vorne standen , ausgetauscht. Vorne standen nur noch Polizisten mit Schlagstöcken und Armmanschetten aus Stahl ohne Schild. Zuerst versuchten die Polizisten den Weg durch drücken frei zu bekommen, dies Misslang aber gehörig und wir konnten die Polizei zurückdrängen. Nach ca. 4-5 Minuten muss wohl von oben der Befehl gekommen sein, nun „richtig“ durchzugreifen. Es wurden nun die Wasserwerfer eingesetzt. Der erste Strahl wurde von der Polizei mit folgenden Worten vorab kommentiert : „Achtung Wasserwerfereinsatz, und der tut weh !“ Alle dachten nun es kommt der Strahl von oben, aber der erste Strahl kam von unten, und riss mich fast um. Dann ging es Schlag aud Schlag. Dies ist wörtlich zu nehmen. Denn die Polizei ging äusserst brutal vor. Mit Wasserwerfereinsatz und Schlagstöcken wurden die ersten fünf Reihen ständig bearbeitet. Wassereinsatz und direkt danach mit Schlagstöcken auf die ersten Reihen drauf. Und ich muss betonen es war bis hierhin von Demonstrantenseite friedlich! Es flogen leider auch vereinzelt Steine (ca. 7-8) , aber die kamen alle aus 30-40 Meter Entfernung. Die Polizei jedoch prügelte hemmungslos auf die ersten Reihen Demonstranten ein. Ich frage mich im aus jetziger Sicht, warum keine Gruppe von Polizisten versucht haben die Steineschmeisser zu erwischen ? Es waren wirklich zu diesem Zeitpunkt nur sehr wenige, die mit Steinen schmissen. Von oben wurde alles mit einem Hubschrauber aufgenommen. Die hätten nach meiner Meinung ganz leicht die entsprechenden Steineschmeisser ausmachen können. Die Polizeihubschrauber hatten aber „wichtigere“ Aufgaben, wie Pressehubschrauber abzudrängen. Ich sah, wie ein Demonstrant aus der ersten Reihe mit Blut überströmten Gesicht herauskam. Dies war für mich der Zeitpunkt, mich etwas weiter zurückzuziehen. Es wurden noch Holzstämme und brennende Strohballen in den Weg gestellt, aber die wurden schnell von einem Räumfahrzeug beseitigt. Dann ging alles recht schnell und der Transport konnte unter Protesten im Schritttempo fahren.

Worauf ich hier noch einmal hinweisen möchte, ist es, dass der eigentliche CASTOR-Behälter von der Polizei nicht geschützt wurde. Ich konnte mich bis auf 10m an den CASTOR nähern. Und es waren sehr wenige Polizisten direkt am CASTOR. Vielleicht hat ja jemand auch die Bilder gesehen als ein Demonstrant sich auf den Tieflader setzte. Dies hätte ich auch tun können. Danach sind wir noch ca. 1-2 km mit dem Transport mitgegangen. Da wir zu diesem Zeitpunkt alle schon ca. 24 Stunden auf den Beinen waren, sind wir nicht weiter mitgegangen.

Wenn ich mir das jetzt 3 Tage später alles noch mal durch den Kopf gehen lasse, dann komm ich nur zu dem Schluss, dass die Polizeiführung eine Gewalt Eskalation mit ihrem Verhalten billigend in Kauf genommen, wenn nicht sogar provoziert, hat. Diese These wird nach meiner Meinung auch durch die Äußerungen des niedersächsischen Innenministers, sowie durch die absolut unqualifizierten Aussagen des Bundesinnenministers gestützt.

„Wer sich in die Nähe von Gewalttätern begibt kann keine friedliche Absichten verfolgen“

Bundesinnenminister Kanther, im Mai 1996

oder so ähnlich… Ich glaube man sollte mal ein paar „gewaltbereite Autonome“ als Zuhörer in den Bundestag lassen, und mal sehen, ob die Abgeordneten den Bundestag verlassen oder die „gewaltbereiten Autonomen“ den Bundestag verlassen müssen?

Aus meiner Sicht war dies ein Machtdemonstration des Staates gegenüber Atomkraftgegnern. Dies belegt auch eine Aussage von unserer geschätzten Bundesumweltministerin Merkel : „Kraftprobe zwischen Staat und protestierender Gesellschaft“

Ist der Staat nicht Teil der Gesellschaft ? Ist der Staat Selbstzweck ?

Um zum Abschluss ein Zitat aus der „BILD dir deine Meinung“ zu bringen: „Für diesen Polizeieinsatz hätte man 2500 VW Golf kaufen können“ Wie viele 1000 Dächer Programme hätte man auflegen können…

Ich werde jedenfalls auch zur nächsten Demo gehen. Vielleicht können wir ja so erreichen, dass das Hauptproblem gelöst wird: Die Kernenergie.

Nämlich mit den Ausstieg!

Ciao, Stefan

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